Ästhetik mit Funktion.
Standort Zur Himmelspforte 1-2 , Rostock
Bauherr Augenärztliche Gemeinschaftspraxis Dres. Schulz, Heine, Bohl und Hasche
Planung Architekt: Tilo Ries, Rostock Innenarchitekt: baustudio kastl, Rostock
Ausführung Malereibetrieb Sascha Weitzel Rostock
Weiß steht für Reinheit und Sauberkeit: Arztkittel, klinische Geräte und Objekte. Hygiene ist oberstes Gebot. Dennoch hält seit vielen Jahren Farbe Einzug in Kliniken und Praxen. Eine davon ist die 90 Meter lange und nur 14 Meter breite Gemeinschaftspraxis in der Augenklinik Rostock. Gleich hinter den Eingangstüren betritt der Besucher einen langen, geschwungenen, dunkelroten Flur – das zentrale Erschließungselement der Augenklinik.
Für Heiko Kastl vom baustudio kastl bestand die räumliche und funktionale Herausforderung darin, den schmalen Grundriss nicht über einen monotonen, rechtwinkligen Korridor mit einer endlosen Abfolge von Türen zu erschließen. So wurde der Innenausbau der 1.260 m² großen Etage des neu errichteten Ärztehauses zu einem Fanal von Farbe und Form. Aber nicht nur ästhetischen Erwartungen hatte die Innenarchitektur zu entsprechen. Der stark farbig abgesetzte Flur mit seinen als Wandgrafiken vergrößerten Auszügen medizinischer Lehrbücher erfüllt auch die Anforderungen eines zweiten Rettungswegs. Ein Abweichungsantrag machte eine Vergrößerung der Wartezonen von 200 m² auf 370 m² möglich. Dabei spielte die intensive Farbgebung und -gestaltung des Flurs bei der Genehmigung eine zentrale Rolle, weil die Rettungswege und Ausgänge insbesondere für die in einer Augenklinik zu erwartenden sehbehinderten Patienten durch ein deutlich sichtbares Rot markiert wurden.
Für die gesamte Etage der Augenklinik gilt die gleiche eindeutige, aber dennoch räumlich unkonventionelle Grundstruktur, die den lang gestreckten Baukörper harmonisch gliedert, und die baulich notwendigen Zwänge in eine Struktur mit funktional optimierten Raum-, Wege- und Sichtbeziehungen umwandelt. Diese Raumstruktur begleitet die Patienten in den öffentlichen Bereichen und führt zu den frei im Raum arrangierten Voruntersuchungszellen. Die runden Behandlungsinseln sind halb offen erstellt worden und zeichnen sich durch dunkelblaue Wände und Decken aus. Dazu bilden die hellen Untersuchungseinheiten und Stühle einen direkten Kontrast, ebenso wie zu dem walnussfarbenen PVC-Boden. Der dunkelblaue Farbton der Rohdecke im Flur ähnelt dem eines Nachthimmels und dient als Gegensatz zu den abgehängten weißen Akustik-Lamellen und Lichtquellen.
Die Deckengliederung stellte hohe Ansprüche, wobei es galt, bedingt durch die Einsehbarkeit der Deckeninstallationen, Technik und Farbkonzept aufeinander abzustimmen. So ergaben sich wechselnde Deckenformen aus glatten Gipskarton-Decken, Akustik-Lochdecken und zur Rohdecke offene Baffeldeckenbereiche mit weißen Rippen. Der farbige Anstrich egalisiert diese verschiedenen Elemente.
Möblierung und Ausstattung sind bewusst kontrastreich zu Wand- und Deckenfarben. Dieses Chiaroscuro wird pointiert durch die runden Untersuchungszellen und die den Wellenkörper der Raumabfolge markierenden Lichtvouten. Dagegen sind alle nicht unmittelbar einsehbaren Behandlungsräume wie die Operationsräume farblich harmonisch in einem hellen Cremeton gehalten.