Digitale Jugendherberge im mittelalterlichen Ambiente.
Standort Kaiserstallung Burg Nürnberg Burg 2, 90403 Nürnberg
Bauherr Deutsches Jugendherbergswerk München
Planung Fritsch+Knodt&Klug Architekten GbR Nürnberg
Ausführung Kobra Malerbetriebe GmbH Großmehring und Michael & Theo Fesel GmbH Nürnberg
Die Farben der Nürnberger Altstadt, das sind seit Jahrhunderten das Rot der spitzen Dächer und das fahle Rotgelb der Sandsteinmauern. Die Jugendherberge thront über diesem Häusermeer: Sie steht ganz oben, neben der Kaiserburg, und ist historisch ein Teil von ihr – ein exponiertes Baudenkmal, 1495 als Kornspeicher der Stadt errichtet, später als Kaiserstallung genutzt, 1937 zur „Reichsjugendherberge“ umgebaut, im Krieg zerstört und danach wiederaufgebaut. Dass sich hinter den schweren Mauern und den Gaubenfenstern des gewaltigen Steildachs seit 2013 die „modernste Jugendherberge Europas“ verbirgt, das ist dem Haus von außen nicht anzusehen. Unantastbar sei die Fassade, so der Denkmalschutz. Dafür wurde den Architekten, dem Nürnberger Büro Fritsch+Knodt&Klug im Team mit den Münchnern Franchi & Dannenberg, im Inneren die größtmögliche Freiheit gelassen.
Beim Eintritt werden die Gäste von einem gediegenen Clubambiente empfangen: Das Eichenholz der Tische und Bänke, das anthrazitfarbene Kunstleder der Sitzecken und der hellgraue Industrieboden gehen eine fast kühle Mischung mit den Sandsteinbögen und Pfeilern ein, die das Erdgeschoss strukturieren. In Feinarbeit haben die Maler Ornamente auf die Wand schabloniert, die QR-Codes enthalten: Die jugendlichen Gäste können mit dem Handy die Codes scannen und bekommen auf diese Weise Filme, Bilder und Texte zur Geschichte des Hauses und der Stadt. Diese Idee der Architekten, Wandgestaltung und Pädagogik zu verbinden, setzt sich in den oberen Geschossen fort und wird mit jedem Höhenmeter farbenfroher: Die langen Gänge zu den Zimmern sind in Blautönen, in Brombeer und in Grasgrün gestaltet. Die Farben mussten auf unterschiedliche Oberflächen aufgetragen werden: Für die Decken wurde Dolomit 900 verwendet, die Wände in den öffentlichen Bereichen sind mit Latexfarbe 992 und Super Latex 3000 gestrichen. Für die Bestandswände kam die Silikat-Innenfarbe 1806 zum Einsatz, da diese diffusionsoffen bleiben mussten. Die Ornamente aus Blüten und Wappen, die sich über Wände und Decken ziehen, verkürzen visuell die Länge der Flure.
Das Dach wurde gedeckt, neue Holzfenster wurden eingebaut, das Haus wurde entkernt und mit einem Aufzug, mit neuer Haustechnik und zeitgemäßen Sanitärbereichen ausgestattet: Anstelle einer Sammeldusche für 300 Gäste hat nun jedes der 93 Zimmer ein eigenes Duschbad. Stockbetten gibt es zwar noch immer, doch diese sind von den Architekten entworfen und bilden eine Einheit mit den Einbauschränken, den Eichentischen, dem roten Kunstleder der Sitznischen und den Wänden in Weiß und Ochsenblutrot. Neben den klassischen Zwei- bis Sechsbettzimmern bietet die Jugendherberge nun auch Maisonettezimmer für Familien an. Das Konzept des Bauherrn, seine in die Jahre gekommenen Jugendherbergen aufzuwerten und die einzelnen Häuser zu spezialisieren, geht in Nürnberg auf. Den Architekten ist es gelungen, ein offenes Haus zu gestalten, das dennoch die kaiserliche Würde wahrt.
Das Fachmagazin Bauhandwerk ernennt dieses Objekt in der Ausgabe 11/2014 zur "Baustelle des Monats" in der Rubrik Umbau + Restaurierung.
Lesen Sie den umfassenden Baubericht in Bauhandwerk - 11.2014 (PDF)