Das 19. Brillux Architektenforum fand in Stuttgart statt und befasste sich mit den Herausforderungen qualitätsvoller Stadtverdichtung und anderen Überlegungen zum zeitgemäßen Wohnungsbau. Dabei standen diverse Fragen im Mittelpunkt: Wie kann ein gesellschaftlich akzeptierter Lebensraum entstehen? Wie gehen Architekten mit historischer Baukultur um? Und wie nehmen wir die Menschen mit, für die wir bauen? Genau deshalb war Stuttgart als Veranstaltungsort passend gewählt: In kaum einer anderen deutschen Großstadt wird derzeit so viel gebaut und eine so öffentliche Debatte zum Baugeschehen geführt wie hier.
Mit dem Hospitalhof, umgeben von einem über 500-jährigen Stadtviertel und zwischen 2012 und 2014 vom Stuttgarter Architekturbüro LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei umgebaut, hatte die Veranstaltung eine adäquate Location: Das Zentrum für Erwachsenenbildung auf dem Gelände eines ehemaligen Dominikanerklosters steht heute als Forum für zentrale, gesellschaftliche Themen und eine offene Gesprächskultur.
Moderator Burkhard Fröhlich, Bauverlag BV GmbH, Gütersloh (Foto: Lisa Farkas)
Hanno Rauterberg, DIE ZEIT
Dr. Detlef Kron, Leiter des Amtes für Stadtplanung und Stadterneuerung Stuttgart
Peter Haimerl, peter haimerl . architektur, München
Kristian Villadsen, Gehl Architects, Kopenhagen
Die Architektenforen von Brillux
Das Zentrum Stuttgarts – das sind mehrspurige Verkehrsschneisen, eine beliebte Einkaufsstraße als zentrale Achse, Fragmente alter, repräsentativer Architektur und ein Allerlei der Nachkriegsmoderne unterschiedlicher Qualitäten. Wie reagieren Architektinnen und Architekten auf diesen Kontext? Welche Gebäudekonzepte setzen sie diesen städtischen Räumen entgegen? Da ist die neu eröffnete Shoppingmall Gerber, die einen ganzen Stadtblock einnimmt und auf dem Dach hochpreisiges Wohnen anbietet (BERND ALBERS Gesellschaft von Architekten, Berlin). Da ist das Kunstmuseum, das eine Narbe der Stadt zum Gebäudekonzept macht (HASCHER JEHLE Architektur, Berlin). Und da sind das derzeit neu entstehende Stadtmuseum und daneben die sich im Bau befindliche Landesbibliothek (LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart).
Ohne Zweifel bringt das Projekt Stuttgart 21 neben einem neuen Bahnhof (ingenhoven architects, Düsseldorf u.a.) auf den frei werdenden Gleisflächen neue Chancen für die Stadtentwicklung mit sich. Direkt hinter dem Bahnhof liegt das inzwischen fast vollständig bebaute Europa-Viertel. Die neue Stadtbibliothek (Yi Architects, Köln) – ein Würfel – ist das massive Zentrum des Gebiets. Ein filigraner Glasturm beherbergt die Hauptverwaltung der Landesbank Baden-Württemberg (wma architekten, Stuttgart). Das Milaneo ist ein aus insgesamt drei eigenständigen Gebäuden bestehendes Einkaufszentrum mit Wohnungen (RKW Rhode Kellermann Wawrowsky Architektur + Städtebau, Düsseldorf u.a.). Spektakulär ist auch das Z-UP (Architekturbüro Wolfgang Kergaßner, Stuttgart), ein Bürogebäude mit markanten Fensterbändern. Kann dieses erste Gebiet beispielhaft für die Bebauung der Flächen sein? Kann man von einem zukunftsweisenden, lebenswerten neuen Stadtviertel sprechen?
Foto: Z-UP: Ebener GmbH Fassaden-Profiltechnik
Vom königlichen Gestüt zum preisgekrönten Stadtentwicklungsgebiet – so ließe sich der Scharnhauser Park charakterisieren. Ostfildern ist der Zusammenschluss mehrerer Gemeinden zwischen den beiden Städten Stuttgart und Esslingen. Der Scharnhauser Park ist der neueste Stadtteil in diesem Kontext. Nach Abzug der amerikanischen Armee sollte das Gelände in den Gemeindeverbund eingegliedert werden. Heute ergänzen verschiedenartige Wohnbauten die alte Struktur der Militärkasernen. Das trutzige Stadthaus (J. MAYER H. und Partner, Architekten, Berlin) bildet das neue kulturelle und administrative Zentrum.
Ein universitäres Zentrum, mitten im Wald? Das ist der Campus Vaihingen. Das "Bauhäusle" ist ein im Eigenbau errichtetes Studentenwohnheim, das – als Provisorium errichtet, aber nach wie vor intakt und geliebt –ein frühes Beispiel partizipatorischer Architektur darstellt. Gleich daneben befindet sich das berühmt gewordene Hysolar-Gebäude (BEHNISCH ARCHITEKTEN, Stuttgart u.a.), ein frühes dekonstruktivistisches Manifest als Ergebnis eines saudiarabisch-deutschen Forschungsauftrags. Auch das Zentrum für Virtuelles Engineering ist eine Zusammenarbeit der Architekten von UN-Studio, Amsterdam und des Fraunhofer Instituts. Das Internationale Zentrum (dasch zürn von scholley architekten, Stuttgart) ist ein Treffpunkt der Nationen. Es ist über eine Brücke mit dem Gastdozentenhaus (Kohlhoff & Kohlhoff, Stuttgart) verbunden, das vor allem durch seine gelungene Innenhoflösung besticht. Ein Spaziergang über den Campus erlaubte, diese und weitere überraschende Architekturprojekte kennenzulernen.
Foto: Gastdozentenhaus: Johannes Schuler
Stuttgart ist eine Industriemetropole und Standort vieler weltweit führender Unternehmen. Die Produkte sind Weltspitze, die Produktionsstätten waren aber über Jahrzehnte rein funktional. Erst in den letzten Jahren wurde dieses schwäbische Understatement zunehmend aufgegeben und es entstanden einige repräsentative Gebäude. Mittlerweile weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt ist das Mercedes-Benz Museum (UNStudio, Amsterdam u.a.), ein getürmtes Motodrom direkt an einer Schnellstraße.
Foto: Mercedes-Benz Museum: Daimler AG
Beim Killesberg wohnt der wohlhabende Stuttgarter gern – stadtnah, aber doch nicht mehr im "Kessel". Früher befand sich hier das Messegelände, das mittlerweile auf die andere Seite der Stadt, auf die Fildern, verlegt wurde. Seitdem schließen sich die Brachen. Es entstand die Killesberghöhe, ein exklusives Wohngebiet, das mit Bauten von Architekturbüros wie baumschlager eberle oder David Chipperfield Architects aufwarten kann. Sie werden ergänzt von der eleganten und modernen Altenresidenz am Killesberg (wulf architekten, Stuttgart).
Foto: Wohnpark Killesberg: be baumschlager eberle/archphoto, inc.